I want more – Gier oder Wachstum?

Der Fischer, den ich damals in Bulgarien traf, lebt nicht mehr. Seine Geschichte ist aber ein Teil meiner Geschichte geworden und ich erzähle sie jedem, der wissen möchte, wo das Glück zu finden ist. Mein Glück war damals mein Studium. Ich studierte Journalismus und bekam eine Stelle weit weg von meiner Heimatstadt. Die Gemeinde bestand aus 43 Dörfern und diese hatten eine Regionalzeitung. Die Zeitungsredakteurin war weg und man suchte nach einer Person, welche die vier Zeitungsseiten mit Artikeln und Fotos füllen sollte. Ich bekam die Stelle und wurde dort eine wichtige Person: die Zeitungsfrau. Als solche schrieb ich über die Ereignisse in der Gemeinde, knipste mit der Kamera die Geschichten der besten Landwirte und fragte sie über die Ernte aus.

I want more – Gier oder Wachstum?

Die Gemeinde war nah am Schwarzen Meer und mein Weg in die Redaktion führte am Wasser entlang. Die Boote lagen festgemacht, die Männer diskutierten und Frauen waren nur selten zu sehen. Der Fischer, den ich Tag für Tag sah, war alt aber noch sehr zäh, braun gebrannt, mit tiefen Falten am Hals und großen starken Händen.

Gesprächig war er nicht, eher in sich versunken, einsam. Ich traf ihn gegen 10 Uhr morgens, angelehnt an sein Boot. Im Boot lagen in dieser Zeit die Fische, die er frühmorgens gefangen hatte. Ein gewöhntes Bild für das kleine Städtchen. Das Ungewöhnliche aber war, dass der Mann nicht nur Fische fing, sondern am Ende des Tages auch Fische wieder zurück ins Meer warf. „Warum?“ – fragte ich und wies mit meinem Kopf zu den Fischen. Ich bekam keine Antwort. Am nächsten Tag setzte ich mich auf den Stein neben dem Boot und wartete stur auf eine Antwort.

Es folgte ein mühsames Gespräch nach etwa drei Stunden Wartezeit auf dem Stein. Ich bot dem alten Mann meine Hilfe an um die Fische zu verkaufen. In der Nähe gab es sogar eine Fischfabrik. Er aber lehnte ab mit der Begründung er brauche kein Geld. Diese Antwort erschien mir unsinnig. Er fuhr jeden Tag aufs Meer zum Fische fangen und nicht um eine Spazierfahrt zu machen!

Endlich kam die Antwort: „Ich bin glücklich so, Mädchen!“

Ich ging weg und nahm den Satz mit, ohne den Fischer zu verstehen.

Im Gegensatz zu ihm wollte ich mehr.

Mich kannten die Menschen aus den Dörfern und ich genoss diese Popularität. Ich lebte interessant und schöpfte enorme Kraft aus meinem Job, wenn ich die Felder, die Berge oder das Meer fotografieren konnte. Mich faszinierten die Menschen, und ich durfte jeden Tag mehr über das Leben außerhalb der Großstädte lernen.

Ich bin aber so glücklich! – sagte meine innere Stimme und diese führte mich weiter und weiter zu meiner nächsten Entwicklungsstufe.

Später zog ich nach Sofia und arbeitete in den Zeitungen der Hauptstadt. Ich wollte mehr und mehr und bekam mehr. Aus meinen Händen kamen Artikel über meine Helden, die mich prägten. Sie übten verschiedene Berufe aus und hatten eins gemeinsam: die Freude am Schaffen.

I want more heißt nicht gleich Gier. Menschen, die viel wollen, entwickeln sich und wachsen auch emotional. Das Mehr darf aber nicht die Freude im Leben trüben, sondern muss diese mit immer neuem Inhalt füllen. Um mehr zu haben, musst du mehr tun. Mehr tun führt zu mehr geben. Die Grenze zwischen Gier und Wachstum ist deutlich und wir sollen sie nie aus den Augen verlieren. Gier kann man nicht stillen, sie führt zu endloser Unzufriedenheit. Die Gier schließt die Tür zur Realität und führt zu seelischer Armut.

Tipps zum Wachstum ohne Gier:

  • Teile Freude und Kummer mit Freunden und der Familie
  • Höre nie auf, Pläne zu schmieden und dich zu entwickeln
  • Sei stolz auf deine finanzielle Freiheit
  • Schenke nicht nur, was du nicht brauchst, sondern auch, was dir etwas bedeutet
  • Vergiss nicht glücklich zu sein; denn nur der Glückliche kann Glück geben