Mutig sein ist auf jeden Fall cool. Ich behaupte sogar, ich bin eine Expertin für Mut und ich weiß genau, warum ich mich so nenne. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, blicke ich tatsächlich auf eine Menge mutiger Aktionen. Als Expertin für Mut muss ich nun auch andere Menschen mutig machen. Das ist es, was ich will!
Und natürlich stehe ich jetzt vor der Frage: Wie?
Ja. Wie?
Am einfachsten ist die Methode, die ich bei meinen Mitarbeitern anwende. Sprechen, Visionieren lassen. Leiten und machen lassen. Vor zwei Jahren traf ich einen jungen Absolventen, Ben. Ben hatte Deutsch studiert und suchte einen Job. Mein Job lag in London, aber … Wie sollte ich – bitte schön – diese 22 Jahre jungen Mann weit weg von mir arbeiten lassen, ohne ihn zu führen. Ich überlegte – und gab ihm einen Vertrag – für den Standort in Köln.
An seinem ersten Arbeitstag war ich nicht da. Ich eröffnete gerade einen neuen Standort in Afrika und vertraute Ben einem meiner deutschen Mitarbeiter an. Ben sollte in die deutsche Ordnung etabliert werden. Schön wär´s gewesen, aber Ben wollte nicht warten. Am zweiten Tag schon streckte er seinen digitalen Arm aus und erreichte mich an meinem digitalen Schreibtisch in Afrika.
„I need your help!“ – war seine eindeutige Aussage.
Tja, das hatte ich nicht erwartet! 22 Jahre alt und stellt am zweiten Tag bereits Forderungen. Nein zu sagen ging nicht. Ich musste ihm helfen und die Kommunikation begann. Ben im Büro, ich an Flughäfen, in Hotels oder einfach auf der Straße – Digitalisierung halt. Er fragte, ich antwortete. Tage-, ja wochenlang.
Ein Jahr nach dieser Zeit teilte mir Ben mit, dass er zurück nach England will. Er schaute in meine Augen und erklärte den Kündigungsgrund: ein neues Studium, Jura. Kein Wort des Dankes für die berufliche Möglichkeit oder für die Unterstützung. Aber ein Blick, der all das ausdrückte. Er wollte, dass ich seine Nummer in meinem Telefon behalte. Er kündigte den Job in Köln, nicht meine Freundschaft.
Jetzt verstehe ich: Ich hatte ihn ermutigt, ohne es zu merken. Die langen Telefonate, meine unausgeschlafene Stimme, mein Leben…, all das war digital und analog bei Ben angekommen. Der Mut, mein Mut, war zu seiner Inspiration geworden. Mut ist eine Eigenschaft, aber man wird nicht mutig geboren. Ich habe Menschen getroffen, die keine Angst vor Verlusten hatten, als sie ihre Ideen umsetzen wollten. Als junge Journalistin habe ich solche Menschen gleichzeitig portraitiert und bewundert – und ihre Haltung in mein Leben aufgenommen, wo sie bis heute weiterwirkt.
Zum Abschied schaute ich in die Augen des jungen Ben und mir schien, darin etwas entdeckt zu haben:
Ein Danke, das mehr als das Wort Danke war. Vielleicht auch das Versprechen, den gewonnenen Mut weiterzuleben und weiterzugeben.
Ein Abschied der Mutigen …