Was hat mich zum Erfolg gebracht? – Teil 7: Die Grenzgängerin in mir

“If I’m selling, I speak your language
If I’m buying, dann müssen Sie Deutsch sprechen”

Kinder im Jugendzentrum (YAM) in Soweto

Formulierte es einst Bundeskanzler Willy Brandt und artikulierte damit frühzeitig die Tendenzen in der Kommunikation. Für den Handel brauchten und brauchen wir eine einwandfreie Verständigung und das in allen Sprachen der Welt. Mit dieser Überzeugung errichtete ich bei Lingua-World meinen 24-Stunden-Service und begann zu expandieren. Vom Hauptsitz in Köln ging ich zunächst nach Aachen, von dort in die Niederlande und dann nach Frankfurt, Nürnberg und Stuttgart. Eine digitale Vernetzung gab es damals noch nicht, deswegen nahm ich als Fundament das Prinzip der Einheitlichkeit: gleiche Einrichtung, gleiche Ordnerstruktur im Regal, Corporate Identity in alle Richtungen. Heute ist es für mich schwierig nachvollziehbar, wie ich von Stadt zur Stadt fuhr, um die Büros bis ins letzte Detail identisch einzurichten. Meine Mitarbeiter habe ich selbst eingearbeitet und alle Dimensionen der Firmenorganisation selbst entwickelt. Ich habe mich dennoch nicht gefragt, warum mich alle gerne begleitet haben, weil ich immer wusste, dass die Freude am Aufbauen ansteckend ist. Diese Begegnungen haben mich stärker, schneller und sicherer gemacht bei allem, was ich tat.

Keine Angst vor Größe!

Nach der Eröffnung der neunten Filiale in Berlin begann ich, an Auslandsexpansion zu denken. Das ist doch verständlich, oder? Ich war aus dem kleinen Bulgarien nach Deutschland gekommen und hatte kein Wort Deutsch gesprochen. Mit dem Auf- und Ausbau der Übersetzungsfirma Lingua-World habe ich mir und der Welt gezeigt, dass ich eine Kosmopolitin bin. Das habe ich aus dem Bedürfnis heraus getan, ein Teil des globalen Lebens zu sein und die Verbindung sowie das Verständnis zwischen den Ländern der Welt zu unterstützen. So versteht es sich ja von selbst, dass ich selbst in anderen Ländern ebenfalls anwesend sein wollte. Also los!

Die Menschen in Südafrika waren hungrig nach Business, die Wirtschaft wuchs schnell. Nach einer zweijährigen Vorbereitung habe ich meinen Koffer gepackt. Und ging nach Johannesburg, trotz aller Informationen über die hohe Kriminalitätsrate dort. Endlich konnte ich in Afrika meine Zelte aufschlagen. Diese Stadt mit den hohen Mauern und der bewegenden Geschichte wurde mein neuer Arbeitsplatz. Start-up Leben halt. Eine Menge wollen aber keine Erfahrung in Afrika. Und dazu musste ich einen gigantischen Unterschied in der Qualität der Kommunikation feststellen. Fast jeder dort sprach einigermaßen gleich ein paar der dort vorhandenen elf Landessprachen, aber eine tiefer greifende Verständigung war kaum möglich und wurde von den meisten auch nicht für notwendig erachtet. Aber in der Wirtschaft ging das so nicht. Kreditverträge, die Inhalte und Ergebnisse von Geschäftsgesprächen sollen klar verstanden und Arbeitsanweisungen in den Produktionshallen müssen umgesetzt werden. Hier konnte der Service von Lingua-World helfen. Der Service – ja, Know-how auch – aber wer sollte das machen. Die Universitäten bildeten zwar schon Übersetzer aus, die Umsetzung der Sprachkenntnisse war aber noch nicht lokalisiert. Recruiting von Übersetzern – war meine erste Aufgabe.  Nach drei Monaten standen 1.000 Sprachvermittler in unserer Datenbank. Und die Arbeit begann.

Kinder im Jugendzentrum (YAM) in Soweto

In Deutschland reifte der gleiche Bedarf in einer globalen Dimension. Genau wie ich expandierten andere mittelständische Betriebe und suchten nach Positionierungen in anderen Ländern. Die Zeit der Imagebroschüren und Visitenkarten für Kontakte auf den Weltmessen wurde zügig von einem anderen Bedarf überholt: Die vorhandenen Webseiten mussten in andere Sprachen übersetzt werden. „Die Übersetzung alleine reicht nicht!“, schrieb ich in meinen Publikationen und meinte es wirklich so. Man darf nicht nur den Text einer Webseite übersetzen, sondern alle Komponenten dieser Webseite. In Südafrika ist es wichtig, den gesamten Inhalt möglichst auf der Startseite zu positionieren, man blättert dort ungern. In Indien dominieren die Farben – vom Gelb zum Lila, und in China ist die weiße Farbe zu vermeiden. In der Schweiz und den Niederlanden schließlich sprechen wir über den ausgeprägten Individualismus, der ebenfalls in der Gestaltung einer Webseite zu berücksichtigen ist (siehe hierzu die Theorie über die kulturelle Dimension von Geert Hofstede  „Culture’s Consequences – International Differences in Work Related Values“ 1980).

Lokalisierung: jeder Markt ist anders, jede Businesskultur hat einen anderen Charakter

Diese Theorie von 1980 bereicherte unsere Praxis und wir wurden effizienter, kompetenter und flexibler. Und auch mein Leben hat sich dadurch verändert. Die Vorstellung, was Erfolg bedeutet, – nämlich ein national erfolgreiches Unternehmen zu führen – wandelte sich zu einem Model internationaler Projekte und ich bemerkte, wie die Besonderheiten der Länder, in denen ich agierte, auch mich selbst veränderten. Ich begann den Gedankenaustausch zwischen den Menschen in den unterschiedlichen Nationen immer mehr zu lieben und knüpfte immer mehr Kontakte. Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich alle diese Länder, Menschen, Sprachen und Kulturen wie in einem Kaleidoskop. Eins nach dem anderen fließen die Bilder an mir vorüber, und ich höre mein Herz sagen: Danke! So wollte ich immer leben!

Mein Leben ist ein Teil menschlicher Emanzipation. Meine Gedanken wurden zuerst von meinen bulgarischen Wurzeln geprägt und weiter entwickelt von liebevollen und weniger herzlichen Menschen. Letztere habe ich als Sparringpartner gesehen, die mich herausgefordert und stärker gemacht haben. Die Liebevollen habe ich ins Herz geschlossen und ihnen ebenso mein Lächeln, meine Ideen und liebevolle Worte gegeben. Aber diese Reise ist noch nicht zu Ende. Ich habe gelernt, dass Glück zu geben auch uns selbst bereichert. Wenn wir die Fähigkeit entwickeln, etwas zu pflanzen und weiter zum Wachsen zu bringen, ist dies das größte Geschenk, das wir uns selbst machen können.