Was hat mich zum Erfolg gebracht? – Teil 29: Mein internationaler Dresscode – Eitelkeit oder Investition?

Alles, was ich tat, war verkehrt.

Als alle Damen Hüte trugen, war ich ohne Hut. Als eine Parade der Nationaltrachten stattfand, war ich im Etuikleid. Beim Gala-Abend war ich zwar im langen Kleid, aber im Palazzo Vecchio war so kalt, dass ich in der Nacht Fieber bekam…

Im internationalen Business ist eine Wissens-Investition über den Dresscode absolut notwendig.

In diesem Moment, als ich verschwitzt und geschwächt im Hotel „Vitoria“ in Florenz lag, habe ich mir geschworen, den Knigge über „Dresscode International“ gründlich zu studieren und mich künftig passend anzukleiden. Das war jedoch in der Zeit damals, als ich für Weiterbildung dieser Art kein Geld hatte… Was jetzt? Ich wollte mich dennoch wohl fühlen und kein schräger Vogel sein! Doch es gab einen Ausweg aus dem Dress-Rätzel, und der hieß Networking. Ich übersetzte für eine Frau aus meinem Netzwerk kostenlos ins Englische, sie trainierte mich im Gegenzug darin, Charme, Kompetenz und Eleganz zu bündeln und die Regeln zu beachten. Den Gang mit einem Buch auf dem Kopf und die Manieren beim Essen mit zwei Büchern unter den Armen beherrschte ich seit meiner Kindheit in Bulgarien, jetzt musste ich noch wissen, was ich in meinen Koffer für internationale Geschäftsreisen packen sollte. Bei den ersten, noch nicht 100 %ig gelungenen Businessreisen musste ich mir in Brasilien schnell noch einen Hosenanzug kaufen, in Indien einen Schal und in den Niederlanden einen Kopfschmuck.

Ab jetzt werde ich alles richtig machen –

beschloss ich und folgte meiner Kollegin in die Berliner Boutiquen. Ich brauchte einen eleganten Sommeranzug für das Event in Russland, ein Abendkleid für die Veranstaltung in Monaco und eine passende Bekleidung für meine Präsentation in Marokko. Als ich anschließend nach Köln fuhr, war nicht nur ich erleichtert, sondern mein Portmonee auch. Trotzdem versuchte ich, das Geld für diese Extravaganz irgendwie mit den Worten „das musste sein“ zu begründen.

Die Koffer packe ich seither vorsichtig. Nicht, um besonders schön oder noch schöner zu sein, sondern um den jeweiligen Standard zu halten und mich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Die ersten Unterrichtsstunden aus meinem Netzwerk, die mir die Basis für ein gesundes Denken in diese Richtung verschafft hatten, habe ich seitdem kontinuierlich durch eigene Beobachtungen erweitert. Ich beobachtete und interpretierte die kulturelle Besonderheiten und die Entwicklung der Businesskulturen in den verschiedenen Ländern und habe schließlich begonnen, diese zu beschreiben.

Afrika: Formell ist ein Statussymbol

In Kenia, Nigeria, Ghana, Namibia und Südafrika sind wir gut aufgehoben, wenn wir einen grauen Anzug, eine weiße Bluse und High Heels tragen. Der dort typische Business Look vermittelt Signale über das Bildungsniveau und die Beziehung zum Job. Seriös, zuverlässig und kompetent sind Sie, wenn Sie in einer gepflegten Businessbekleidung den Meeting-Raum betreten. Die Jahreszeit spielt keine Rolle.

Brasilien: Das bunte Leben auf der Straße ist das Flair, das im traditionellen Business Life vergessen wird

 In Brasilien etwa ist man vor allem in den Großstädten sehr konservativ. Krawatte und Anzug sind für Männer ein Muss! Kombinationen sind nicht üblich. In São Paolo ist dunkler Anzug mit weißem Hemd und Krawatte angesagt. Businessfrauen kleiden sich in eleganten Kostümen. Bei allzu großer Hitze und Feuchtigkeit können Männer jedoch die Krawatte ablegen und Frauen tragen dann Röcke, ärmellose Business-Etuikleider und vielleicht sogar ab und zu mal Sandalen.

Asien: Strenger Bekleidungsstil bedeutet Respekt dem Geschäftspartner gegenüber

 In China ist für Männer formelle Kleidung – am besten wieder der dunkle Anzug mit Krawatte – im Geschäftsalltag ein Muss. Wer mit Jeans, Hemd und Krawatte auftritt, wird einfach nicht ernst genommen. Das Gleiche gilt für schrille Farben oder zu bunte Kombinationen. Die Grundeinstellung ist: Ein zu lockeres Auftreten zollt dem Geschäftspartner nicht genügend Respekt. Auch für Geschäftsfrauen ist in China der dunkle Hosenanzug Standard. (Kamp 2009)

In Japan geht dieser Anspruch noch weiter nach oben: „Better over than underdressed.“  Nichts wäre unangenehmer in Japan als in einer Gruppe vergleichsweise zu leger gekleidet zu sein! Es geht darum, unter allen Umständen das Gesicht zu wahren. Die Kleidung wird hier noch immer in sehr starker Weise mit dem sozialen Status assoziiert: Zeig’, was Du hast, wer Du bist und wo Du stehst, ist die Devise. Für Männer bedeutet das, dunkle, gutsitzende und teure Anzüge zu tragen. Geschäftsfrauen tun hier gut daran, nach besonders konservativen Regeln zu spielen: So kann der Hosenanzug bedeuten, dass man mehr auf der sicheren Seite ist, als man es mit einem Kostüm wäre. High Heels sind in Japan übrigens ein absolutes No-Go. (japanbusinessressource.com)

 Saudi-Arabien: Bescheidenheit ist das Credo

Männer sind hier (wie fast überall) mit dunklen Anzügen bestens bedient. Dazu sind langärmlige Hemden und eine Krawatte empfehlenswert. Kurzärmlige Hemden sind zumindest erlaubt; hier können Sie je nach Situation und Temperatur entscheiden. Kein Schmuck für Männer, keine kurze Hose.

Geschäftsfrauen tragen in arabischen Ländern niemals Hosen! Sondern (Knöchel-)lange Kleider oder Röcke. Mindestens die Waden müssen auf jeden Fall bedeckt sein! Auch die Ärmel von Blusen oder Kleidern sollten bis über den Ellbogen reichen. Keine Dekolletés, sondern bis zum Hals zugeknöpft sollte das Outfit sein. Ebenso sollte sich eine Körpersilhouette höchsten ganz vage abzeichnen und die Kleidung eher locker sitzen. Als Ausländerin müssen Sie kein Kopftuch tragen, aber es macht immer Sinn, eines bei sich zu haben.

USA und Kanada: bleiben Sie konservativ, und seien Sie bereit locker zu sein

An der Ostküste müssen Sie tagsüber nicht zu formell sein. Oft reicht für Männer im Business eine Kombination, sogar ohne Krawatte. (Henry 2009) Im Silicon Valley tritt man sogar oft sehr leger auf und die Kreativität drückt sich dort durch einen sehr lockeren Kleidungsstil aus: Polohemden oder luftige Sommerkleider sieht man dort oft. Im Rest des Landes ist es ratsam, eher konservativ angezogen zu sein. Frauen sollten in den USA generell nicht zu viel Haut zeigen. Schöne Kleider funktionieren aber auch hier im Business (es muss nicht immer das strenge Kostüm sein), aber dann bitte mit Ärmeln und immer (auch bei 30 Grad!) mit Seidenstrümpfen. (Müller 2018) Rock statt Hose ist generell gern gesehen; im konservativen Süden („Bible Belt“) sind Hosen sogar tabu. Ähnlich wie in den USA gibt es auch im kanadischen Geschäftsleben einen ziemlich strengen Dresscode: Männer tragen immer (!) dunkle Anzüge mit Krawatte und nie Kombinationen. Frauen in Hosen sind ein No-Go. (Müller 2018).

Lokalisierung heißt der Schlüssel …

Man sollte viel über das Business und die Gewohnheiten in einem Land wissen, bevor man eine Geschäftsreise beginnt. Die interkulturelle Kompetenz betrifft nicht nur unsere Bekleidung, sondern viel mehr: Kultur, Religion, Mentalität usw. Die Bekleidung ist natürlich nicht der wichtigste Punkt, aber einer von denen, die uns in einem schlechten Licht darstellen, falls wir völlig falsch liegen. Es wird uns Mühe kosten, die Beziehung zu einem Geschäftspartner zu korrigieren, um das wahre Bild von uns nach einem schlechten ersten Eindruck zurückzugewinnen. Die richtige Bekleidung muss nicht immer viel Geld kosten, aber viel Wissen, mit Sicherheit. Im internationalen Business ist eine Wissens-Investition auch über den Dresscode absolut notwendig.

„Kleider machen Leute“, sagt man, und ich ergänze diese Behauptung: Kleider sind wichtig, noch viel wichtiger aber sind die Menschen und ihre Traditionen. Wer die Menschen versteht, wird auch ihre Bekleidungskultur verstehen.