Was hat mich zum Erfolg gebracht? – Teil 32: Die alten Muster verlassen und nach vorne schauen

Im Saal saßen sie alle: Führungskräfte, Auszubildende, Mitarbeiter, auch diejenigen, die kurz vor der Rente standen. Krisensitzung! Der Beginn einer neuen Krise. Alle hatten Angst. Die Azubis, weil sie um ihren Ausbildungsplatz fürchteten, die Älteren, weil sie die Erinnerungen aus der letzten Wirtschaftskrise noch in den Knochen hatten. Die Führungskräfte, weil sie Ruhe ausstrahlen sollten, die sie in sich nicht finden konnten. Die Personalchefin hatte die Kurzarbeit verkündet. Auf dem Weg zu ihrem Platz nahm sie die Antwort der Menschen mit: Stille war die Antwort.

Wir denken das Leben neu!

Alle standen auf, mehr oder weniger gefasst.

In den nächsten Tagen gab es zudem ein paar Entlassungen, in der Woche darauf auch.

Nur eine Abteilung ließ sich nicht stören und machte sich schnell an die Arbeit, die IT- Abteilung. Die begonnene Digitalisierung musste schnell vorangetrieben werden. Remote-Verbindungen waren zwar in den letzten 2 Jahren auf der Führungsebene bereits geschaffen worden, aber längst nicht für alle Mitarbeiter.  Schnell ergaben sich neue Überlegungen und neue Strukturen der Zuständigkeiten bis alles lief, aber die Leute mussten neu geschult und die Teams neu definiert werden. Jetzt war keine Zeit mehr für lange Überlegungen.

„…alle an einem Strang ziehen“

Dieser Halbsatz wurde jetzt oft wiederholt. Ein alter Satz, der nichts anderes bedeutet als „Lasst es uns packen!“  Aber wer sind diejenigen, die das sagten? Die Chefs? Ja, sie haben damit begonnen. Aber diese Stimmung wurde wie eine Welle weitergetragen, rollte weiter von den Abteilungsleitern zu den Mitarbeitern. Sätze wie „das haben wir doch immer so gemacht“ wurden von heute auf morgen durch „Ja, gerne“ ersetzt. Freiwillige Unterstützer gingen in den Spätdienst. Die Fenster blieben bis spät in die Nacht hell. Im ersten Monat dachte kaum einer mehr an die Krise, da die Einarbeitung in die neuen Systeme wie eine Adrenalinwelle durch die Firma ging. Im zweiten Monat ging´s weiter, aber die Kunden meldeten sich immer noch nicht. Die Home Offices funktionierten schon, aber die Wirtschaft ruhte weiter. Kurzarbeit und reduzierte Aufträge standen in einem, für jeden nachvollziehbaren, Verhältnis und niemand dachte, dass die Kurzarbeit sinnlos ist.

In dieser Firma änderte sich viel.

Experimentiergeist und Freude begleiteten die nach und nach einsetzenden kleinen Erfolge, als der Weg in die Normalität langsam begann.

Von der alten Normalität sind wir noch weit entfernt, aber wir kommen einer neuen Normalität immer näher.

Und da ist eine Frage, die mich heute mehr denn je beschäftigt.  „Warum nicht früher?“, habe ich oft früher schon gefragt, wenn ich mit Führungskräften über „old school“ sprach. Warum sollte es so weit kommen? Die Antworten darauf aus dem Mittelstand unterschieden sich deutlich von denen aus der Konzernwelt. Der Mittelstand klagte über mangelnde Zeit und sagte „es lief doch gut“. Der Chef aus der Führungsetage eines Konzerns antwortete ausführlicher: „Sie wissen, wie das ist. Wir müssen sparen. Bis eine neue Entscheidung umgesetzt wird, ist diese oft schon überholt. Die Wege der Umsetzung sind sehr lang. Die Zahlen spielen eine große Rolle.“

Warum ist das Tempo so oft so langsam?

Frage ich mich. Warum muss die Gefahr schon vor der Tür lauern, damit wir innovativ werden? Warum werden alte Muster nicht früher verlassen? Selbst dann, wenn neue Entwicklungen bereits erkennbar sind.

Warum wir Menschen im Kern bequem und zu oft nur im Notfall mutig sind? Es läuft doch ganz gut, also machen wir so weiter. Der Widerstand gegen alles grundlegend Neue lähmt uns, und wir akzeptieren gerne das Bewährte. Dazu kommt die Angst vor Verlusten, davor, nicht unangenehm aufzufallen, nicht zu polarisieren, uns nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. In Krisenzeiten aber wird das alles plötzlich zweitrangig. Existenzangst packt uns, wir vergessen die gestrigen Argumente, welche die Routine so gemütlich machten, und wir starten neu. Freude und Entdeckergeist kehren jetzt in unser Leben zurück und öffnen uns die Augen für eine neue Zukunft. Digitale Transformation ist doch kein neues Wort für uns. Wir sind geradezu zwangsläufig ein Teil dieser Transformation, und das sollte sich für jeden von uns selbstverständlich anfühlen.

Warum nicht früher?  Wiederhole ich heute meine Frage an die Führungskräfte aus dem deutschen Mittelstand und auch aus großen deutschen Konzernen. Die Antwort ist jetzt identisch:

Wir denken das Leben neu!