Von Außen sah er gar nicht so aus. Blaues Hemd, dunkles Jackett und eine Mappe in der Hand. Seine weißen Haare sahen unordentlich aus, dafür stand die Brille ganz zentriert auf seiner Nase und wirkte als Filter für seinen scharfen Blick. Als er „Guten Tag“ sagte, wurde der Raum schlagartig enger, da er in der nächsten Sekunde bereits in dessen Mitte stand.
Ein großartiger Small Talk war offenbar nicht vorgesehen, der Mann kam gleich zur Sache. Mein Liquiditätsplan war das Thema. „Habe ich nicht!“ – begann ich vorsichtig. Der Blick traf mich diesmal direkt, ohne Filter. Der Mann sah mich über die Brillengläser an und packte seinen Laptop aus …
In den nächsten Stunden wurde mein Liquiditätsplan erstellt
und ich sah den Berg von Kosten in der ersten Spalte. Mir wurde schwindelig allein von der Vorstellung, dass ich jetzt monatlich und wöchentlich, ja sogar täglich würde planen müssen. Das war der Beginn der Arbeit mit meinem Sparringspartner in Köln. Es folgten weitere Termine, Diskussionen und Controlling Analysen, deren Ergebnisse mich schier wahnsinnig machten. Ein paar Mal sah es sogar so aus, als ob ich mein Geschäftsmodell würde verändern müssen. Die Rentabilität stand im Vordergrund und ich musste mich dranhalten.
Es ist immer ein Spagat zwischen Ideen und Impulsen, die der Unternehmer in seiner Firma umsetzen will, und der gnadenlosen Sprache der Zahlen. Wenn er zu viel Rücksicht auf die Zahlen nimmt, werden seine Visionen vernebelt, ist er jedoch zu verliebt in seine Visionen und rechnet zu wenig, können böse Fallen entstehen.
Solche Fallen erwachsen auch dann, wenn wir zu wenig nachgefragt oder vermeintlich gute Angebote zu nachlässig geprüft haben. Eine Unternehmerin erzählte mir, dass ihr Geschäftskredit aus Versicherungsfonds kam und die Zinsen letztlich so hoch waren, dass sie trotz laufender Zahlungen kaum zur Tilgung gekommen war. Nach 9 Jahren Kampf gegen diese Windmühle musste sie schließlich aufgegeben und Insolvenz anmelden. Das war aber nicht das Schlimmste! Das Schlimmste war ihr Selbstwertgefühl, das nach 9 Jahren Leben mit den immer fortwährenden Schulden, den ständigen Zahlungen und der letztendlich unabwendbaren Insolvenz tief erschüttert war.
„Wo war der Fehler gewesen?“ –
fragte ich sie ein paar Jahre später, als die Sache bereits auf dem Weg der Besserung war. „Blindes Vertrauen“ – antwortete sie schnell. „Ich habe Geld erhalten und glaubte an mich. In beiden Fällen war ich blind.“
Selbstvertrauen ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die erfolgreiche unternehmerische Zukunft, aber nicht die Einzige. Besonders in jungen Jahren braucht der Unternehmer Fachkompetenz und Beratung. Die Energie, die Leidenschaft treiben uns und wir möchten schnell beginnen. Aber was tun, wenn uns diese Schnelligkeit in unüberlegte Vertragsabschlüsse treibt?
Andersherum gibt es Banken, die uns bei Kreditanfragen das Leben extrem schwer machen. Sollten wir den Banken dafür sogar dankbar sein? In diesen Extremen natürlich nicht! Wenn wir ein überzeugendes Konzept vorlegen, dazu auch eigenes Kapital anbieten und dann dennoch und immer wieder kaum mehr nachvollziehbare Erschwernisse seitens der Bank kommen, ist das definitiv keine konstruktive Unterstützung, die Spaß macht.
Ich habe auch andere Banken erlebt. Banken, die an mein Projekt geglaubt und mich unterstützt haben. Die Kredite habe ich längst abbezahlt und keine Seite ist enttäuscht.
In einem der Momente unternehmerischer Entscheidungsfindung kam der Sparringspartner ins Spiel.
Wir haben uns einmal monatlich getroffen und aus dem Ersten, fast feindlichen Gespräch wurde Zusammenarbeit. Im Nachhinein bewundere ich diesen Mann, der meine kreative Energie ausgehalten und mein Mindset für Controlling entwickelt hat. Was meine Vorliebe fürs Marketing betrifft, hat er nicht mal versucht, diese zu beeinflussen. Er amüsierte sich, als ich einen Wagen der Straßenbahnen in Köln mit Werbung bekleben ließ und auch, als meine Straßenwerbung für Kunden sorgte. Seine Aufgabe waren die Unternehmensprozesse, die sicheren Investitionen und letztendlich die finanzielle Freiheit meines Unternehmens.
Ob ich jetzt dankbar dafür bin?
Ja! Ich bin dankbar dafür, dass ich immer großen Respekt vor den Kompetenzen und dem Expertenwissen der anderen hatte. Ich habe nie gedacht „ich weiß das alles selbst schon und sogar besser“, sondern fragte Leute, die mit mir dann den Wachstums- und Entwicklungsweg gegangen sind.
Der Weg ist das Ziel. Das Ziel ist nicht, keine Fehler zu machen, sondern die Fehler in nützliches Kapital umzuwandeln. Das Kapital der unendlichen Erfahrungen. Erfahrungen, die bereichern, die weiser machen und uns gegenüber uns selbst und anderen großzügiger machen.