Jeder kennt das „Sackgasse-Gefühl“. Du steckst tief drin, aber es ist eine Sackgasse, wo es früher oder später nicht mehr weitergeht. Und wenn du dich umdrehst und überlegst zurückzugehen, siehst du vor dir nur den Ausgangspunkt, und das ist nicht dein Ziel. Ständig vor und zurückzugehen, bringt dich immer wieder zurück zur Position Null, aber du hast doch so viel vor. Position 10 ist dein Ziel. Was nun? Ganz von vorn ist keine Lösung, aber ein paar Schritte zurück und die Richtung wechseln?
Wie wäre es damit?
Das war die Situation von Klaus, dem Geschäftsführer eines Unternehmens, das Medizingeräte produzierte. Also nicht fertige Medizingeräte, sondern die Kernkonstruktion, die an ein großes Unternehmen geliefert und nach der Endfertigung dort auf den Markt kam. Klaus´ Unternehmen war auch Lieferant für andere Unternehmen in und außerhalb Deutschlands und erwirtschaftete Millionenumsätze. Das Problem von Klaus waren nicht die direkten Kunden des Unternehmens, diese waren ja zufrieden. Lieferfristen, Qualität, Mengen – alles lief seit Jahren gut.
Das Problem war rein persönlich und hieß Motivation
Seit 20 Jahren betrat er sein Büro morgens um 7 Uhr, führte Meetings mit den Abteilungsleitern, telefonierte mit den Vertretern im Ausland und las die Auswertungen aus der Buchhaltung. Auch die Innovationen der Engineering-Abteilung und deren Umsetzung hatten geklappt, und trotzdem fehlte etwas. Aber was?
Als Klaus zum Monatsende mit alten Kumpels kegeln ging, traf er Tom, der seit Jahren nicht mehr dabei gewesen war. Irgendwie jünger sah er aus. „Grüß dich Klausi!“, streckte ihm dieser seine Hand zur Begrüßung entgegen. Klaus nahm die Hand und spürte die raue Haut unter dem kräftigen Handschlag. In den nächsten Minuten erzählte Tom, dass er seit 6 Jahren auf Mallorca lebt und eine Yacht-Schule betreibt. Er musste wegen seiner Eltern für ein paar Tage nach Deutschland, und bei dieser Gelegenheit hatte er sich an das Monatstreffen der alten Kumpels erinnert. Er erzählte weiter, wie er in Deutschland als Controller bei einem Unternehmen in ein Vor-Burnout-Stadium geraten war, wie er auf Mallorca zuerst in Urlaub gewesen und dann schließlich dort Solo-Unternehmer geworden war.
Klaus wurde beinah neidisch auf diese Geschichte nach dem Scheitern
Er kannte auch die Gefahr des Scheiterns, 2008, als die Finanzkrise seinen Betrieb auch erwischt hatte, aber so weit war er nie gegangen. Sicherheit – war das Lebensmotto von Klaus. Sicherheit um jeden Preis. Als er als kleiner Junge ein Lob für sein Gesangstalent bekommen hatte, schien ihm, er wolle immer singen und werde irgendwann ein berühmter Sänger. Der Familienrat aber bezeichnete diesen Beruf als „brotlose Kunst“, und Klaus ging mit absoluter Selbstverständlichkeit den Weg zum Studium nach Frankfurt, um sich in dem „sicheren Beruf“ als Betriebswirt zu qualifizieren. Dass er anschließend im Familienbetrieb weiterarbeitete, war für alle mehr als selbstverständlich.
Die Geschichte von Tom ging ihm aber in den nächsten Tagen nicht aus dem Kopf. Besonders als Klaus an seinem Schreibtisch mit dem Blick über die Bäume vor dem Fenster saß, glitten seine Gedanken immer wieder ab, er spürte die Seeluft und glaubte das Rauschen der Wellen zu hören. Er versetzte sich in Toms Alltag, und plötzlich sah er einen Schreibtisch vor im Hafen liegenden Booten. Auf dem Tisch die Prospekte, Seekarten mit geplanten Routen und Kunden voller Freude. Ja, genau das machte aus diesem Vormittag einen fröhlicheren Vormittag: das Bild von Menschen voller Vorfreude, die eine Reise aufs Meer beginnen…
Wie viele von uns würden den sicheren Job im Familienunternehmen schmeißen und etwas Neues beginnen?
Es gibt Menschen wie Tom, welche eine Sackgasse als Sprungbrett nutzen und ein neues Leben gestalten. Diese Menschen sehen im ersten Schritt wie Abenteurer, ja wie Verlierer aus, weil es scheint, dass sie in ihrem Job versagt haben. Sie wollten vorankommen, aber der eingeschlagene Weg war versperrt. Falscher Beruf, zu viel Stress, zu hohe Ansprüche an sich selbst, oder einfach das falsche Umfeld. Die Gründe für das Unglück im Job können viele sein, aber das Resultat ist immer das Gleiche: so geht es nicht weiter! Resignation? Trotzdem weiter so? Nein, Zeit für die Veränderungen, die in den meisten Fällen erst einmal ein paar Schritte zurück erfordern, um an der richtigen Stelle abzubiegen.
Nun zur Frage: WARUM?
Warum erst jetzt? Die Frage richten wir an uns selbst und reflektieren, um zu verstehen, wieso wir es nicht früher gemerkt und entsprechend agiert haben. War es der falsche Input? Das falsche Studium? Oder haben wir richtungsweisende Signale einfach ignoriert? Wir merken oft, dass die Freude immer geringer wird, morgens zur Arbeit zu gehen, aber wir fragen uns oft erst, wenn es sehr spät ist, WARUM?
Ein paar Schritte zurück aus der Sackgasse erlauben uns, den Anfang und das Ende zu sehen. Der Blick zurück zeigt uns, was wir am Anfang wollten. Der Blick auf das Schild „Sackgasse“ macht klar, dass dieser Weg wirklich nicht zu unserem Ziel führt. Neuorientierung ist das beste Ergebnis danach. Wenn wir trotz allen Verlusten von Zeit und Geld in der Lage sind, den Durchblick für unser Leben zu erlangen, dann sind wir keine Verlierer mehr.
Was sind wir dann?
Die Antwort spiegelt ein Bild. Ein Mann oder eine Frau schaut in den Tag mit Freude. Er/sie packt es an. Aufgaben, Kinder, Job… alles was bevor steht – mit Freude. Ab und zu pfeift diese Person und ihre Brust atmet leicht. Der Atem der Menschen, die frei sind. Die Glücklichen, die klare Entscheidungen treffen. Klare Persönlichkeiten!